„Die Gestalttherapie ist ein Verfahren, das aus einem wachstumsfördernden, mehrschichtigen, therapeutischen Beziehungsverständnis sowie aus seinem humanistischen Menschenbild heraus mit einer phänomenologischen Zugangsweise, (d. h. heutzutage prozess-erfahrungsmäßig), ein erlebnis-, ressourcen- sowie ein lösungsorientiertes Bewusstwerdungsangebot macht, das hilft, in Achtsamkeit die innere und äußere Situation klarer zu erkennen.
Dies ermöglicht sowohl angemessen notwendige Grenzen zu ziehen, wie auch und vor allem, gezielt zu unbewusst Ausgegrenztem über Kontakt, Begegnung, Dialoge und integrierende (Re-)Identifikation Verständnisbrücken herzustellen. Dabei werden die Teilaspekte konfliktlösend und stimmiger zu einem neuen Ganzen geordnet, Überkommenes wird überprüft, gegebenenfalls verabschiedet und die persönliche Freiheit und Verantwortung für eine wertbezogene Wahlmöglichkeit erhöht.“ (Lotte Hartmann-Kottek)
fortbildung1 bietet in Zusammenarbeit mit dem Gestalt-Zentrum Tübingen eine 3-jährige Ausbildung in Gestalttherapie an.
Zielgruppe
- SozialarbeiterInnen, PsychologInnen, LehrerInnen, SeelsorgerInnen, ÄrztInnen, Pflegefachkräfte, die die Grundhaltungen und die Fertigkeiten gestalttherapeutischen Arbeitens zur persönlichen und professionellen Weiterentwicklung erlernen wollen
- Im klinischen Bereich oder in selbstständiger Berufsausübung psychotherapeutisch Tätige, die ihre Kompetenzen um die Grundhaltungen und die Grundfertigkeiten gestalttherapeutischen Arbeitens erweitern wollen
- AchtsamkeitslehrerInnen, TrainerInnen, Coaches, OrganisationsberaterInnen, SupervisorInnen, die für sich die Notwendigkeit einer therapeutischen Zusatzausbildung entdeckt haben
- KörpertherapeutInnen, Yoga-LehrerInnen, Cantienica-TrainerInnen, etc., die einen erweiternden Ansatz suchen, der ihnen und ihren KlientInnen bei der Vertiefung und Integration ihrer Erfahrungen hilft (Gestalttherapie bietet eine gute Integrationsbasis für körpertherapeutische Ansätze und eine bereichernde Erweiterung der Beratungsarbeit)
Inhalte
Da die Anpassung an institutionelle Weiterbildungsrichtlinien entfällt und die Gruppe max. 12 TeilnehmerInnen umfasst, kann die individuelle Entwicklung ganz in den Mittelpunkt gestellt und gefördert werden.
Grundlegend für gestalttherapeutisches Arbeiten ist die persönliche Kompetenz des/der TherapeutIn. Sie besteht in der Fähigkeit, in Beziehung zu KlientInnen als eine eigene Person ganz da zu sein, erreichbar zu sein und sich entsprechend zum Ausdruck zu bringen, sowie den KlientInnen in einer Ich-Du-Haltung möglichst frei von Rollen als eine individuell erkennbare Person gegenüber zu treten und zu begegnen.
Dies erfordert ein hohes Maß an Bewusstheit und Kenntnis der eigenen Person sowie an Kontakt- und Beziehungsfähigkeit. Diesbezügliche Einschränkungen und Blockierungen werden hauptsächlich im Rahmen der Selbsterfahrung bearbeitet.
Die professionelle Kompetenz des/der TherapeutIn liegt in der Fähigkeit und dem Wissen, wie und in welcher Form die persönliche Kompetenz für die therapeutische Situation zur Unterstützung der KlientenInnen genutzt werden kann.
Inhaltliche Schwerpunkte der Ausbildung sind daher:
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Präsenz, aktive Gegenwärtigkeit und Kontaktfähigkeit des/der TherapeutIn
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Beziehungsgestaltung (Dialogfähigkeit) in der Gestalttherapie
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Praktische Wahrnehmungs- und Handlungsfertigkeiten (Basic-Skill-/Kompetenz-Training)
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Erfahrungsbezogenes und theoretisches Verständnis grundlegender gestalttherapeutischer Konzepte (v.a. gestalttherapeutische Haltungen, Verständnis des Veränderungsprozesses, Bedürfniskonzept, Störungsverständnis in der Gestalttherapie, Bewusstheit, Kontakt, Verantwortung)
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Spezielle Techniken und Interventionsmodi
Gliederung
Entsprechend dieser Auffassung von gestalt-therapeutischer Kompetenz und vor dem Hintergrund der genannten Schwerpunktsetzung ergeben sich vier aufeinander bezogene Bereiche:
1. Selbsterfahrung
Die TeilnehmerInnen lernen die gestalttherapeutische Arbeitsweise zunächst in intensiver Selbsterfahrung über die Auseinandersetzung und Arbeit mit der eigenen Person im Rahmen der Gruppe kennen.
Eine andere Form der Selbsterfahrung ist die Gestaltlehrtherapie. Sie wird als Einzeltherapie bei einem/einer anerkannten LehrtherapeutIn selbstständig organisiert.
2. Theorie
Die Theoriearbeit findet hauptsächlich als gemeinsame Reflexion der in der Gruppe erlebten Prozesse statt. Sie wird anhand von Literatur im Selbststudium vor- und nachbereitet. Die so realisierte enge Verbindung von Theorie und Praxis vermittelt ein ganzheitliches Verständnis von Gestalttherapie.
3. Training
Das praktische Einüben therapeutischer Fertigkeiten und Techniken geschieht schwerpunktmäßig im 2. Ausbildungsjahr. Die Grundfertigkeiten (Basic Skills) werden im 1. Ausbildungsjahr vermittelt. Die Arbeit der TeilnehmerInnen miteinander in Triaden (als KlientIn, TherapeutIn, BeobachterIn) nimmt hier einen breiten Raum ein.
4. Supervision
Im 3. Ausbildungsjahr kommt vermehrt Supervisionsarbeit zur Geltung. Im Vordergrund steht die Live-Supervision, bei der zwei TeilnehmerInnen als KlientIn und TherapeutIn unter direkter Supervision der Ausbildungsleitung in der Gruppe arbeiten.
Hier, wie auch schon im Trainingsteil sind therapeutische Effekte bei KlientInnen willkommen. Im Mittelpunkt steht jedoch das Erleben und Verhalten des/der TherapeutInnen und die persönlichen Entwicklungsschritte.
Bei der berufsfeldspezifischen Praxis-Supervision wird die konkrete Arbeit der TeilnehmerInnen in ihren jeweiligen Praxisfeldern im Rahmen der Ausbildungsgruppe supervidiert.
Zeitlicher Umfang
Die Ausbildung dauert 3 Jahre. Ein Ausbildungsjahr umfasst 200 Seminarstunden (à 45 Minuten) und besteht aus:
- 6 verlängerten Wochenenden von je 16 Stunden und
- 2 viertägigen auswärtigen Intensivseminaren von je 32 Stunden
- 5 regionalen Peergrouptreffen von je 8 Stunden
Zusätzlich zu den Treffen der Ausbildungsgruppe organisieren sich die TeilnehmerInnen in regionalen Peergroups, um sich gegenseitig mit Supervision und theoretischen Diskussionen zu unterstützen.
Das 1. Ausbildungsjahr kann auch als 1-jährige Weiterbildung abgeschlossen werden, wenn die InteressentInnen lediglich ihre bisherige Arbeitsweise um die gestalttherapeutische Perspektive erweitern wollen und sich dafür entsprechende Grundfertigkeiten aneignen möchten.
Hinweis
Eine verbindliche Anmeldung erfolgt immer für jeweils ein Ausbildungsjahr.
Zulassungsvoraussetzung
Voraussetzung für die Zulassung zu dieser Ausbildung ist die Teilnahme am Einführungsseminar oder einem ausführlichem persönlichen Gespräch.
Eine befriedigende Teilnahme an dieser Ausbildung erfordert persönliches Engagement. Sie kann eingreifende Veränderungen im privaten, sozialen und beruflichen Leben der TeilnehmerInnen in Gang setzen. Von daher ist sie nur für solche Menschen sinnvoll, die grundsätzlich hierzu auch bereit sind.
Abschluss
Die erfolgreiche Ausbildung wird mit einem spezifizierten Zertifikat dokumentiert.
Literatur
Perls, Fritz: Gestalttherapie in Aktion. Stuttgart, Klett-Cotta 2002.
Kurs-Highlights
- Der Fokus auf persönliche Präsenz und emotionale Resonanzfähigkeit geht über reine Psychotechnik hinaus und fördert authentische therapeutische Beziehungen und tiefgreifende persönliche Veränderungen
- Kleine Ausbildungsgruppen (6-12 TeilnehmerInnen) und eine dialogische Grundhaltung sorgen für eine persönliche Lernatmosphäre und gezielte Unterstützung individueller Entwicklungsprozesse
- Durch intensive Selbsterfahrung lernen Sie die Person kennen, von der Sie sprechen, wenn Sie „Ich“ sagen
- Sie beginnen, auch in Ihrem eigenen Leben sich ab und zu und dann immer mehr in der Gegenwart aufzuhalten – das tut gut
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